Text: Tiziana Bonetti, Network of Arts
02/11/2017
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Seit ihrer Erfindung im Jahr 1935 ist die Nylonstrumpfhose aus der Damenkonfektion nicht mehr wegzudenken. Obwohl die Strumpfhose in ihrer blickdichten Vorform als Beinling Jahrhunderte lang dem Mann vorbehalten war, gilt sie heute als Chiffre für Weiblichkeit und Erotik. Umso provokativer erscheint der Gestus der Arbeiten des Basler Künstlers Fabian Matz: In seiner Werkserie der Körperfotografien schmiegt sich das transparente Kleidungsstück ausnahmsweise nicht um die Beine einer Frau, sondern um jene des Künstlers. Mal barbusig, dann wieder in einem glitzrigen Trägeroberteil posiert der Künstler sitzend oder stehend vor der Kamera, die Füsse in knallige Pumps gezwängt. Changierend in der Schärfe der analogen Aufnahmen spielen die Bilder mit der Fantasie des Betrachters: Gehört der abgelichtete Körper einem Mann oder einer Frau? Mit seinen Fotografien befragt Matz als Transvestit nicht nur Stereotypen von Weiblichkeit und Männlichkeit, sondern unterwandert auch konventionalisierte Kleidervorschriften.
In anderen Arbeiten, wie in der Installation «When is it okay to lie?» (2016), verliert der Strumpf seine Funktion als Kleidungsstück. Stattdessen wird das Nylontextil, drapiert zur Silhouette eines menschlichen Kopfes und geklebt auf einen Glasspiegel zur schrumpeligen Abziehhaut. Zusammen mit der im Holzrahmen des Spiegels befindlichen, dem Titel der Arbeit gleichlautenden Aufschrift wirft die Strumpfhose implizit die Frage auf, ob die Manipulation der eigenen Erscheinung in Ordnung ist. Die Frage gilt nicht zuletzt dem Betrachter selbst, der bei frontaler Ausrichtung auf den Spiegel seines Abbildes statt, eine zum Kopf geformte Strumpfhose vor Augen hat.
In der Arbeit «I’ve visited that new store and found that stuff you were looking for lately, here it is» (2017) erinnert die diaphane Strumpfhose dagegen an eine medizinische Röntgenaufnahme. Die Transparenz der Strumpfhose als UV-Druck auf Glas wird so zu einer Metapher für die Lesbarkeit des menschlichen Körpers sowie zugleich zu einer Illustration für dessen Fragilität.
Eine makabre Optik tragen die Aufnahmen aus der Serie «shaped bodies (sand)» (2017) zur Schau. Die Fotografien sind Ansichten der ortsspezifischen, temporären Objektinstallationen aus gefüllten Polyamid-Strümpfen, die Matz in Interaktion mit der kahlen Sandlandschaft auf der Nordseeinsel Amrum konzipiert hat. Mit Kniepsand gefüllt, evozieren die in der Landschaft liegenden Strumpfhosen Konnotationen an abgetrennte Körperglieder. Die latente Gewalt, die den Bildern damit eingeschrieben ist, steht in krassem Widerspruch zur spektakulären Ästhetik der Arbeiten.
Fabian Matz lebt und arbeitet in Basel sowie in Reinach. Sein Studium in Kunst & Vermittlung absolvierte er in Luzern. 2016 wurde er mit dem JKON Förderpreis des Kunstmuseums Olten ausgezeichnet. In seinem künstlerischen Schaffen mit Schwerpunkt auf Fotografie, Installation und Objektkunst beschäftigt sich der Künstler intensiv mit dem weiblichen und männlichen Körper sowie mit Stereotypen und geschlechterspezifischen Rollenbildern. Dazu verwendet Matz immer wieder Strumpfhosen, die er mit diversen Materialien kombiniert. In teils intensiven Arbeitsprozessen entstehen Arbeiten, die sowohl einem ästhetischen Anspruch verpflichtet sind als auch zum Nachdenken anregen.