17. Oktober 2019
von Alexander Rottenmanner
Ein Strumpf für alle Fälle
Der Basler Künstler Fabian Matz abstrahiert in seinen Arbeiten das wohl weiblichste Modeaccessorie und erschafft aus hauchdünnen Nylonstrümpfen wundersam eigensinnige Objekte
Wir bei Achtung Digital sind immer interessiert daran noch nicht weltbekannten Künstler*innen oder Modemacher*innen eine Plattform zu geben. Dieses Mal wurden wir auf den Schweizer Künstler Fabian Matz aufmerksam, der sich den Genderdiskurs zur Aufgabe setzt – und das mit nur zwei Materialien. Nylonstrümpfe und Epoxidharz. Das ist mal ein Kontrast! Und um genau das geht es hier, Kontraste. Fabian Matz packt diesen Archetyp der Weiblichkeit bei seinem Klischee und formt damit neutrale Objekte, Körper und Skulpturen. Wir haben mit ihm über seine Arbeit gesprochen.
Achtung Digital: Waren Nylonstrümpfen schon immer ein Schwerpunkt deiner Arbeit?
Fabian Matz: Das Interesse am Material gab es schon in meiner universitären Laufbahn, während meines Bachelorstudiums an der Hochschule Luzern. Jedoch nicht so intensiv wie jetzt. Da war es mehr Mittel zum Zweck. Die Auseinandersetzung mit dem Genderdiskurs und Bekleidung war schon das Thema meine Abschlussarbeit: Eine Videoinstallation, die die Verbindung meines männlichen Körpers mit weiblicher Kleidung darstellt.
AD: Wieso gerade Nylonstrümpfe?
FM: Ich frage mich das immer wieder, auch heute noch. Warum arbeite ich genau mit diesen Strümpfen, diesem ja sehr weiblich konnotierten Material. Es ist einfach so, dass der Charakter und die Eigenschaften dieses feinen Polyamid-Gewebes mich interessieren. Auch die Absurdität meiner Arbeit fasziniert mich.
AD: Trägst du selbst auch Nylonstrümpfe?
FM: Nein, selber trage ich keine. Es ist ein reines Arbeitsmaterial für mich.
AD: Dein erster Kontakt mit Nylonstrümpfen?
FM: Schon in der Jugend und vermutlich auch in der Kindheit war ich fasziniert davon. Aus welchen Gründen kann ich nicht erklären. Jetzt entsteht daraus etwas Sichtbares und etwas sehr Persönliches. Klar, mit diesem Strumpf-Fetischismus ist man natürlich immer wieder konfrontiert. Das Ganze hat ja etwas sehr Anziehendes, zugleich auch mit meiner Arbeit etwas Abstoßendes. Und dieser Kontrast gefällt mir.
AD: Kannst du dich an dein erstes Nylonstrumpf-Werk erinnern?
FM: Ich kann mich gut daran erinnern. Das waren mit Kies gefüllte Stiefel, denen ich Strümpfe überzog. Das war ein Prozess, der sich weiterentwickelt hat, bei dem dann weitere Plastiken und Skulpturen entstanden sind.
AD: Wie viele Strümpfe verwendest du, sofern das überhaupt einschätzbar ist? Machst du dir Gedanken über den Verbrauch?
FM: Heute habe ich wieder einen Stapel gekauft. Ich kann dir aber nicht sagen, was das für Mengen sind. Ich habe einen großen Vorrat in meinem Atelier, sortiert in Garnstärke und Farbe. Ich habe keinen hohen Verbrauch. Ich gehe da schon sorgfältig mit um. Das liegt einerseits an platztechnischen Gründen hier in meinem Atelier und andererseits auch an dem Epoxidharz. Mit dem darf nicht verschwenderisch umgegangen werden. Natürlich auch die Werkzeuge, zum Beispiel die Mischbecher oder Handschuhe. Die können nur einmal gebraucht werden, weil sie dann voll sind mit dem Harz.
AD: Hast du ein Lieblingswerk von dir?
FM: Schwierig. Ich kann jedenfalls sagen, dass ich mich von keinem leicht trennen kann, wenn es verkauft wird. Jedes Objekt und jeder Körper hat seinen Charakter und durch dich intensive Arbeit entsteht da immer eine Verbindung.
AD: Machst du regelmäßig Ausstellungen?
FM: Von einer gewissen Regelmäßigkeit kann ich nicht sprechen, aber Ausstellungen sind durchaus immer wieder ein Thema. Ich musste allerdings feststellen, dass in letzter Zeit gewisse Medien bevorzugt werden. Die Malerei voran. Da sehe ich einen sehr starken Fokus. Ich weiß nicht was für Gründe das genau hat. Logistik, platztechnische Gründe? Aber ich versuche meine Arbeiten trotzdem hinauszutragen. Am Ende des Jahres nehme ich wieder an zwei Gruppenausstellungen teil. Dann wird man ja sehen was 2020 bringt.
AD: Siehst du aufgrund deiner intensiven Auseinandersetzung mit Nylonstrümpfen noch immer diese gewisse verbindliche Weiblichkeit, oder hat das für dich mittlerweile keine Bedeutung mehr?
FM: Ganz konkret, hier ein Beispiel: Wenn ich wieder mal ein Materialexperiment starte – sagen wir mit Luftballons. Ich ziehe Strümpfe über die Ballons, schaffe eine Verbindung zwischen Ballon und Strumpf, ganz egal wie ich damit arbeite – das bekommt sofort eine andere Wirkung; etwas Kindliches und Spielerisches. Die Konnotation des Nylonstrumpfes verschwindet. Wenn ich Strumpfhosen aus der Verpackung nehme – man sieht immer diese Abbildungen von Frauen oder Frauenbeinen darauf. Aber wenn ich eben länger und mehr damit arbeite und andere Werkzeuge damit in Verbindung setzte, dann geht einfach dieses ganze Stigma verloren.
AD: Ein Stigma, dass Dir aber immer wieder begegnet?
FM: Für mich spielt die Hauptrolle bei den Arbeiten die Forschungsthematik. Wenn ich von meiner Arbeit als Künstler erzähle, dann gibt es erstmal immer ein kurzes Erstarren. Ich arbeite ja mit einem sehr intimen Material. Ein Material, dass so nah an der Haut ist wie kein anderes. Ich mache dann aber immer klar um was es bei meiner Arbeit geht – nämlich die Untersuchung des Materials.
AD: Woran arbeitest du momentan?
FM: Jetzt gerade studiere ich das Verhalten des Strumpfgewebes im Wasser. Das war anfänglich in einem Brunnen, also draußen. Dann habe ich diese einzelnen Verhaltensweisen des Stoffes in einem Aquarium hier im Atelier nachgebaut. Alles sichtbar auf Instagram.
AD: Wer sind die Käufer deiner Arbeiten?
FM: Explizit kann ich das nicht sagen. Aber der Zugang zu meinen Arbeiten ist bei Frauen schneller und direkter. Männer sind da eher zurückhaltend. Es ist eine sehr große Neugier da, aber gezeigt wird das nicht gleich. Das ist einfach auf die Beziehung zum Material zurückzuführen. Frauen tragen das, kaufen das, pflegen das. Männer haben da eher eine visuelle Beziehung zu dem Material, die sind auf Abstand.
AD: Verfolgst Du mit deiner Arbeit auch gesellschaftskritische Ambitionen?
FM: Das kann durchaus indirekt passieren, mein Ziel ist es aber nie. Für mich geht es rein um die Ästhetik in Verbindung mit dieser Grundabsurdität eines bloßgestellten Körpers. Es ist ein Objekt, das ich in seiner purer Nacktheit der Öffentlichkeit gegenüberstelle. Aber eben in einer abstrakten Art und Weise. Hinzu kommt, dass ich dieses Material, dieses Modeaccessoire, so weit abstrahiere, dass man nicht auf den ersten Blick erkennt was es ist. Zumindest strebe ich das mit meiner Arbeit an.